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Die älteste Urkunde des Olper Stadtarchivs von 1361
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Zusatzinformationen

Ein Druckwerk von Petrus in Altis de Olpe im Stadtarchiv Olpe

Die Stadt Olpe hat im Juli 2003 auf Anregung des pensionierten Gymnasiallehrers Dr. Hans-Bodo Thieme und auf Initiative von Bürgermeister Horst Müller und Stadtarchivar Josef Wermert im Antiquariatshandel zu einem günstigen Preis ein im Jahre 1478 gedrucktes Buch käuflich erwerben können, nämlich eine Inkunabel aus der Presse des Kölner Druckers Petrus in Altis de Olpe. Der schöne Band befindet sich nun im Olper Stadtarchiv. 

  

 

 



 

 

 

Es handelt sich um den Druck der „Quaestiones evangeliorum de tempore et de sanctis“ des einflussreichen spanischen Dominikaners Johannes de Turrecremata (Juan de Torquemada). Der Verfasser wurde 1388 in Valladolid geboren und studierte dort. 1416/17 nahm er am Konstanzer Konzil teil. Danach setzte er seine Studien in Paris fort und war später Prior in Valladolid und Toledo. Von August 1432 bis zum Januar 1438 weilte er als päpstlicher Gesandter und Bevollmächtigter des Königs von Kastilien in Basel und vertrat dort am Konzil gegen die Mehrheit der Konzilsteilnehmer die papalistische Linie, das heißt den Primat des Papstes über das Konzil. Er wandte sich dort auch gegen die Lehre der Unbefleckten Empfängnis Mariae. 1438/39 nahm er an den Unionsverhandlungen mit der Ostkirche am Konzil von Ferrara teil. 1439 wurde er von Papst Eugen IV. zum Kardinal erhoben.

 

1440 wurde er Bischof von Cádiz, 1442 von Orense, 1455 von Palestrina, 1463 von Sabina und 1466 schließlich von León. In all diesen Jahren hielt er sich als Kardinal immer wieder in Rom auf. Er starb im Jahre 1468 in Rom; sein Grab hat er in der Kirche S. Maria sopra Minerva gefunden.
Johannes de Turrecremata war ein entschiedener Vertreter der alten katholischen Ekklesiologie (Lehre von der Kirche), was vor allem in seiner viel beachteten „Summa de ecclesia“ zum Ausdruck kommt. Er verfasste noch manche andere Werke, so die „Expositio in psalterium“, die „Meditationes“ (erstmals gedruckt 1467 in Rom), die „Relevationes Caelestis Seraphicae matris S. Brigittae“, eine Abhandlung über die Wirksamkeit des Weihwassers, Kommentare zu den Dekreten Gratians, einen Kommentar zur Benediktinerregel und die „Quaestiones evangeliorum de tempore et de sanctis“.
Diese „Quaestiones“ sind im Codex Latinus 975 der Bibliotheca Apostolica Vaticana handschriftlich überliefert. Gedruckt wurde das Werk in den ersten Jahrzehnten des Buchdrucks auffallend häufig, nämlich 1477 in Rom bei Johannes Schurener de Boppard, 1478 in Nürnberg bei Friedrich Creussner, 1478 in Köln bei Petrus in Altis de Olpe (darunter ist die nun vom Stadtarchiv Olpe angekaufte Inkunabel), um 1478 in Toulouse bei Heinrich Turner und Johannes Parix, nicht vor 1480 in Reutlingen bei Michael Greyff, 1481 in Basel bei Johann Amerbach, 1481 auch in Vienne bei Eberhard Frommolt, 1484 in Deventer bei Richardus Paffraet, zwischen 1484 und 1488 in Toulouse bei Heinrich Mayer, nicht nach 1485 in Straßburg bei Georg Husner, 1496 in Lyon bei Jean Trechsel, 1498 in Brescia bei Angelus Britannicus, um 1499 in Venedig bei Petrus de Querengis und um 1500 in Venedig bei Simon Bevilaqua. Johannes de Turrecremata erörtert in insgesamt 317 „Quaestiones“ die Evangelien (Perikopen) der Sonntage des ganzen Kirchenjahres und der Heiligenfeste und folgt dabei in vielem Thomas von Aquin.
Petrus in Altis de Olpe stellte den Druck der „Quaestiones evangeliorum de tempore et de sanctis“, wie dem Impressum auf dem letzten Blatt dieses Wiegendrucks zu entnehmen ist, 1478 am Vorabend von Bartholomaei, somit also am 23. August des Jahres 1478 in Köln fertig („Jmpresse colonie agrippine Finite et complete Sub anno domini Millesimoquadringentesimo septuagesimooctavo in vigilia Bartholomei apostoli Laus deo“). Es ist ein schmuckloser Foliant mit insgesamt 280 Blättern, die zweispaltig bedruckt sind und keine Blatt- oder Seitenzählung aufweisen. Die Blätter 1 und 13 sind nicht bedruckt. Auf den Blättern 2-12 befindet sich die Tabula (Stichwort- bzw. Inhaltsverzeichnis). Auf Blatt 14 beginnt der eigentliche Text: „Questiones evangeliorum tam de tempore quam de sanctis collecte per R. D. Joh. de turre cremata episcopum sabinensem sancte Romae ecclesie Cardinalem sancti Sixti Incipi-unt feliciter.“ Das Exemplar ist kein Unikat. Von dem Kölner Druck der „Quaestiones“ (Hain 15710, Goff T 545) sind noch rund dreißig Exemplare nachzuweisen, so zum Beispiel Exemplare in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, der Staatsbibliothek Berlin, der British Library London, der Stadtbibliothek Mainz (Depositum im Gutenberg-Museum) und der Stadtbibliothek Trier.
Bücher wurden in früheren Jahrhunderten in der Regel in ungebundenen Lagen verkauft. Der Käufer übergab dann dieses Bündel Lagen (hier in unserem Fall sind es 24 unsignierte Lagen) einem Buchbinder. Der Einband der vom Stadtarchiv Olpe erworbenen Inkunabel dürfte 1478 oder bald danach hergestellt worden sein. Die Holzdeckel sind mit dunkelbraunem Leder überzogen. Es ist mit Streicheisenlinien verziert (Mittelteile mit Rautenmuster). Der Rücken und Teile der Deckel sind später, wohl um 1600, mit hellerem Leder überzogen worden, auf dem einige Blindprägungen (Ornamente) zu erkennen sind. Die beiden Metallschließen sind abgebrochen. Von den 280 Blättern fehlt Blatt 117, das herausgerissen worden ist und von dem nur noch ein kleiner Rest vorhanden sind.
Schäden an einigen Blättern infolge eines Wasserschadens, am Einband und am Buchblock wurden 2003 in der Restaurierungswerkstatt des Westfälischen Archivamtes in Münster fachgerecht restauriert.

Wie damals üblich, wurde der Druck durchgängig rubriziert, das heißt alle Text- und Abschnittsanfänge, zum Teil auch Satzanfänge und wichtige Wörter, sind von Hand mit roter Farbe markiert. Vermutlich war bei dem vorliegenden Band ein professioneller Rubrikator im Auftrag des Druckers in Köln oder des Buchhändlers am Werk. Auf der Rückseite des ersten Blattes sind von einer Hand des späten 15. Jahrhunderts, vielleicht des ersten, uns leider nicht bekannten Besitzers, Autor und Titel des Buches notiert: „Quaestiones Euangeliorum de tempore et de sanctis Domini Joannis de turre cremata“. Dies geschah deshalb, weil der Band, wie damals nicht unüblich, auf dem ersten Blatt keinen gedruckten Titel aufweist.

Auch im seitlichen Buchschnitt finden sich entsprechende, vielleicht zu derselben Zeit angebrachte Angaben: „IOANNES DE TURRECREMATA“. Auf dem Rücken steht auf dunkelrot gemaltem Untergrund von einer Hand des 17. Jahrhunderts der Titel noch einmal: „Ioannis de turre cremata Quest. Evang. de T. & S.“. Oben am Rücken ist eine Etikette angebracht. Sie stammt aus dem 17./18. Jahrhundert und trägt die Standortsignatur „E 100“ einer uns nicht bekannten Bibliothek. Auf der Rückseite des letzten Blattes ist eine im Jahre 1906 angebrachte Bleistiftnotiz eines Auktionshauses zu entdecken: „624 MSN Aukt. Nn[?] 6/8 06“.
Petrus in Altis de Olpe war einer von mehreren Buchdruckern, die in den ersten Jahrzehnten des Buchdrucks in Köln, damals einem der ersten und wichtigsten Druckorte überhaupt, tätig waren. Seine Buchdruckerei bestand in den Jahren von 1476 bis 1478. In seinem ersten, am 18. Dezember 1476 vollendeten und firmierten Druck nannte er sich „Petrus in Altis de Olpe“. Auch drei andere Drucke sind mit seinem Namen versehen. Eindeutig aus seiner Produktion stammen auch sieben weitere, nicht firmierte Drucke, die man ihm aufgrund des Vergleichs der Drucktypen eindeutig zuweisen kann. Alles in allem sind dies also elf verschiedene Drucke. Sie haben alle (Klein-)Folioformat und sind alle nicht illustriert. Sie sind, von zwei Ausnahmen abgesehen, von vergleichsweise eher geringem Umfang. Von einem exklusiven Verlagsprogramm kann man nicht sprechen. Es sind zumeist Werke, die in jenen Jahrzehnten in manchen Handschriften vorlagen und auch an verschiedenen Orten gedruckt wurden. Petrus in Altis de Olpe druckte vor allem bekannte, verbreitete Werke nach, ganz anders also als sein möglicher Verwandter Johann Bergmann von Olpe in Basel. Die Auflagen einiger seiner Druckwerke scheinen verhältnismäßig gering gewesen zu sein.

Von Petrus in Altis firmierte Drucke:
* Michael de Dalen: Casus summarii decretalium Sexti et Clementinarum, 18. Dezember 1476 (134 Blätter)
* Johannes Calderinus: Auctoritates decretorum, 23. Juni 1477 (62 Blätter)
* Panormitanus (Nicolaus de Tudeschis): Flores iuris utriusque, 19. August 1477 (114 Blätter)
* Gerardus de Vliederhoven: Cordiale quattuor novissimorum, 6. Oktober 1477 (68 Blätter)

Nicht firmierte Drucke:
* (Pseudo-) Boethius: De disciplina scholarium, um 1477 (44 Blätter)
* Breviarium Coloniense, um 1478 (kein vollständiges Exemplar bekannt; mehr als 393 Blätter)
* Nicolaus de Hanapis: Auctoritates utriusque Testamenti, um 1477 (50 Blätter)
* Robertus Caracciolus: Sermones de timorum divinorum iudiciorum, 1478 (126 Blätter)
* Modus legendi abbreviaturas, um 1478 (46 Blätter)
* Albert Trottus: De horis canonicis et De defectibus occurentibus in missa, um 1478 (26 Blätter)
* Johannes de Turrecremata, Quaestiones evangeliorum de tempore et de sanctis, 1478 (280 Blätter)

In Olpe ist seit 1450 ein Geschlecht „auf der Höh“ („op der Hoe“) nachgewiesen. Ein Hannes op de Hoe begegnet uns 1450 als Urkundenzeuge und 1457 noch einmal mit Grundbesitz in der Eichhardt. 1487 finden wir einen Johan op de Hoe von Olpe als Studenten an der Universität Köln. In den Jahren 1493, 1504 und 1511 ist Hinrich op der Hoe, der auch Bürgermeister war, als Urkundenzeuge nachgewiesen. „In Altis“ ist nichts anderes als die lateinische Übersetzung des deutschen Familiennamens „op der Hoe“. Petrus in Altis entstammte ohne Zweifel dem offenbar nicht unbegüterten Olper Geschlecht. Wie damals üblich, latinisierte er zum Beginn seines Studiums seinen deutschen Familiennamen.
Schon im 18. Jahrhundert kam die Vermutung auf, dass Petrus de Altis nicht nur aus dem sauerländischen Olpe kommen, sondern vielleicht auch der dort ansässigen Familie Bergmann entstammen könnte. Er wäre somit ein Verwandter des nachweislich von hier stammenden und dieser Familie angehörenden berühmten Johann Bergmann von Olpe, der in den späten siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts nach Basel kam und dort bis zu seinem Tod im Winter 1531/32 als wohlhabender Geistlicher und „Verleger“ in Basel lebte. Die erwähnte Annahme, dass die Familie „auf der Höh“ und die seit 1432 in Olpe nachgewiesene Familie Bergmann identisch sein könnten, ist zwar nicht abwegig, aber nicht weiter zu belegen, da Akten aus jenen Jahrzehnten bis auf wenige Ausnahmen – im Olper Stadtbrand im Jahre 1795 ging auch das Rathaus mit dem Archiv in Flammen auf – nicht mehr überliefert sind. „Bergmann“ kann eine Bezeichnung für die am Berg, an oder auf der Höhe lebende Familie gewesen sein.
Über Petrus in Altis de Olpe wissen wir leider nicht sehr viel. Im Jahre 1450 wurde er an der Universität Köln immatrikuliert: „Petro de Alto alias van der Hoe, clerico Coloniensis dioecesis“. Er war 1450 also bereits Kleriker der Diözese Köln. Er studierte die septem Artes liberales (die sieben freien Künste) und schloss dieses Studium unter Magister Gerhard de Buderich 1453 ab. In demselben Jahr nahm er auf Wunsch der Eltern in Köln das Studium des kanonischen Rechts auf. Im Jahre 1452 trat er in Köln dem Jerusalemer Johanniterorden bei. In Köln war er als Notar tätig, so im Februar 1476 (für das Fraterherrenhaus in Weidenbach) und im Dezember 1479. Als Kölner Priester ließ er sich im Mai 1491 bei der juristischen Fakultät der Universität Köln nochmals einschreiben („venerabilis dominus doctor magister“), vermutlich um als Angehöriger des Kollegiatstifts St. Kunibert an juristischen Fragen teilnehmen zu können. Im Mai 1495 war er als „Can. S. Cuniberti Col.“ Eidbürge. Wann er gestorben ist, wissen wir nicht.
Seine juristische Ausbildung und Tätigkeit könnten der Grund dafür sein, dass die Hälfte der von ihm besorgten Druckwerke juristischen Inhalts ist. Die Druckerei wurde sehr wahrscheinlich nicht von ihm selber betrieben. Petrus in Altis dürfte, wie auch Johann Bergmann von Olpe in Basel, der Geldgeber, Spiritus rector und Verleger gewesen sein. Weshalb seine Offizin nur etwa zwei Jahre in Betrieb war, entzieht sich unserer Kenntnis.


Literatur:
Corsten, Severin: Studien zum Kölner Frühdruck. Köln 1985. S. 34-36.
Keussen, Hermann (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Köln. Bd. 1. Bonn 1928; Bd. 2. Bonn 1919.
Scheele, Norbert (†): Olper Bürgerbuch. Familiengeschichtliches aus der frühen Stadtgeschichte. Hrsg.: Heimatverein für Olpe und Umgebung e.V. Olpe 1984. (=4. Beitrag zur Geschichte der Stadt Olpe). S. 100.
Wilhelmi, Thomas: Ein Druckwerk von Petrus in Altis de Olpe im Stadtarchiv Olpe. In: HSO 212 (2003). S. 207-215.
Voulliéme, Ernst: Der Buchdruck Kölns bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, Bonn 1903, S. XXXIX f. und passim.

Zum Thema siehe auch:
Wilhelmi, Thomas: Petrus in Altis de Olpe (* um 1425/30). Inkunabeldrucker in Köln. In: Wermert, Josef (Hrsg.): Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart. Red.: Günther Becker, Hans-Bodo Thieme und Josef Wermert. 2 Teilbände. Olpe: Selbstverlag der Kreisstadt Olpe 2011. S. 1480-1484.